Seit Mitte der 1980er-Jahre wurde das Themenspektrum in Richtung Vorschulerziehung und Krankenpflege erweitert. Die Positionsbestimmung der freien Wohlfahrtspflege wurde diskutiert und neu ausgelotet – Zeichen für ein gewandeltes Verständnis des Sozialstaates, in den verstärkt gewerbliche Anbieter sozialer Hilfeleistungen hineindrängten und zur Aufweichung des lange dominierenden Subsidiaritätsprinzips führte. Der damalige Geschäftsführer Fritz Boll belebte auch den Zweig sozial- und caritasgeschichtliche Veröffentlichungen neu und griff bislang unbeachtete oder unbequeme Themen auf: die Geschichte des Kindergartens, den Alltag in der Psychiatrie oder die nationalsozialistische „Euthanasie“ an Menschen mit Behinderungen und psychischer Erkrankung.

Ab 1990 profilierte sich der Verlag als Fachverlag durch zahlreiche Veröffentlichungen zur Professionalisierungsdebatte der Sozialen Arbeit, in der die wissenschaftliche Identität in Abgrenzung zu anderen Disziplinen sowie der gesellschaftliche Stellenwert Sozialer Arbeit kontrovers diskutiert wurde. Beispielhaft genannt seien hier die Schriften von Ernst Engelke (1992), Soziale Arbeit als Wissenschaft. Eine Orientierung, Heiko Kleve (2000), Die Sozialarbeit ohne Eigenschaften. Fragmente einer postmodernen Professions- und Wissenschaftstheorie Sozialer Arbeit sowie Albert Mühlum (2004), Sozialarbeitswissenschaft – Wissenschaft der Sozialen Arbeit.

Eine Themenerweiterung in Richtung Beratung und Suchthilfe erfolgte 1999 durch die Publikation der deutschen Übersetzung von Motivational Interviewing. Preparing People to change addictive behaviour, einem von den Psychologen William R. Miller (USA) und Stephen Rollnick (Großbritannien) entwickelten innovativen Konzept zur Therapie von Menschen mit Suchtproblemen. Inzwischen ist die Übersetzung der dritten Auflage der Motivierenden Gesprächsführung sowie begleitende Praxishilfen erschienen.

Schon Ende der 1990er-Jahre erfolgten mit der Herstellung von Hörbüchern und Ausgaben der AVR auf CD erste Schritte in Richtung Digitalisierung und neue Medien.

Das Buchcover der 1. Auflage von Ernst Engelkes "Soziale Arbeit als Wissenschaft" (1992)