Der Verlag in der NS-Diktatur
Die Position des Verlags während der NS-Diktatur war nicht eindeutig. Der Schwerpunkt der Veröffentlichungen verlagerte sich von der Sozialpolitik (die Nationalsozialisten erhoben mit Deutscher Arbeitsfront und NS-Volkswohlfahrt einen Alleinvertretungsanspruch) zu theologisch-berufsethischen und biografischen Themen („geistige Caritas“). Es gab aber auch Titel wie Am Brunnquell neuer Geschlechter von Johann Baptist Dieing (Leitung Referat Dorfcaritas), eine mehrfach aufgelegte Aufsatzsammlung zur Erbgesundheitspflege. Der katholische Eugeniker war zu großen Zugeständnissen gegenüber der NS-Ideologie bereit und sprach offen von der „Eindämmung der Unterwertigen als eine[r] der wichtigsten Aufgaben für den Aufbau des Volkes der Zukunft“.
Andererseits setzte der Verlag Zeichen der Nonkonformität und inneren Verweigerung gegenüber der NS-Ideologie. Die Zeitschrift Caritas erhielt 1933 eine politische Verwarnung wegen eines regimekritischen Artikels, der die Nächstenliebe für unteilbar erklärte und dabei auch Kommunisten in den Konzentrationslagern und Juden einschloss. Ab 1941, als die Caritas ihr Erscheinen einstellen musste und die Verlagsarbeit wegen ausbleibender Papierzuteilungen bis 1943 weitgehend zum Erliegen kam, baute der Verlag eine enge Kooperation mit dem antinazistischen Alsatia-Verlag in Colmar auf, was als Widerstand gegen den NS-Staat zu werten ist. Neben Verlagsprojekten vermittelte das Lektorat in Freiburg den katholischen Schriftsteller Reinhold Schneider dorthin, der seit seinem bekannten, auf Hitler gemünzten Sonett Der Antichrist (1938) zum Widerstand zählte.
Lesesaal der Bibliothek im Alten Werthmann-Haus